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In der Kolumne “Netzball” befassen wir uns in loser Folge mit Themen rund ums Tischtennis – allerdings abseits von allen Ergebnissen, Auf- und Abstiegen, Quotienten und Ranglisten. Wir wollen einen Blick auf die amüsanten, seltsamen und kuriosen Seiten unseres Sports werfen.
Endlich wieder da: Zum Auftakt der neuen Saison philosophieren wir in Folge 5 über Saisonstarts im Allgemeinen und die Gefühle der Tischtennisspieler dabei im Besonderen.

Lange Wochen während der Sommerferien gehörte die Hauptschul-Turnhalle allein den Holzwürmern, doch nun hört man endlich wieder dieses regelmäßige klack-klack, klack-klack (oder auch klack-deck, klack-deck falls ein Noppenspieler dabei ist) durch die Gänge des Schulhauses hallen: Die ersten Wahnsinnigen trainieren bereits wieder voller Eifer und sehnen den Auftakt der Punkterunde herbei. Schließlich konnte man sich doch in der spielfreien Zeit nur mit sogenannten Trainingslagern (wobei nie ganz klar ist, ob dort mehr die Rückhand oder die Leber trainiert wird), Freundschaftsspielen oder Einladungsturnieren mental über Wasser halten, doch das Gefühl irgendwie auf Entzug zu sein wurden diese Spieler nie ganz los.

Ganz anders hingegen bei der zweiten Art von Aktiven, die, egal ob Saison oder Sommerpause, immer gleich viel trainieren – nämlich gar nicht. Damit halten einige Exemplare aber erstaunlicherweise ihr teils durchaus erstaunliches spielerisches Niveau – andere spielen in den hinteren Mannschaften.

Die dritte Sorte bilden diejenigen Spieler, die zwei Tage vor der ersten Partie plötzlich von ihrem schlechten Gewissen erfüllt werden, hektisch ihre Tischtennissachen zusammenpacken, ihre Frau anpfeifen wo denn das Trikot sei (“Hab ich hinten in den Schrank zu den Wintersachen gepackt, dachte das brauchst du so schnell eh nicht wieder, Schatz!”) und in die Turnhalle rasen, nur um festzustellen, dass Andy und die Jugendlichen seit geschätzten sieben Wochen bereits wieder trainieren und daher voll im Saft stehen – ganz im Gegenteil zu einem selber.

Doch egal zu welcher Sorte man gehört, eins ist bei allen Spielern gleich: Der Vorsatz, dass dieses Jahr alles besser wird! Alles! Insbesondere natürlich die persönlichen Ergebnisse, sprich: Der Quotient. Doch auch hier gilt es wiederum zwischen verschiedenen Spielerpersönlichkeiten zu unterscheiden. Hier ein kleiner tabellarischer Überblick (Ähnlichkeiten mit bekannten Personen sind natürlich rein zufällig):

Spielertyp Charaktereigenschaft Bilanz letzte Saison Ziel für dieses Jahr
Der Hungrige will immer besser werden deutlich positiv noch deutlicher positiv
Der Neidische will unbedingt besser sein als die anderen und so schnell wie möglich die Nummer 1 werden es hat nicht gereicht es muss diesmal einfach reichen
Der Gleichgültige hat keine Ahnung wie der Quotient berechnet wird, kennt die Homepage seiner Liga nicht (wenn er überhaupt die Liga kennt), braucht keine guten Ergebnisse für sein persönliches Wohlbefinden seit Jahren relativ ausgeglichen keins
Der Resignierte nach Jahren des Punktezählens, Quotientenberechnens und Im-Internet-Nachlesens hat er eingesehen: besser ist er einfach nicht 6:20 wenigstens besser als die Nummer 5 von Vogtareuth 2 – aber eigentlich isses auch egal
Der Jugendliche ist hauptsächlich jung eine Niederlage mal gucken was in der neuen Liga geht
Der Überehrgeizige überschätzt sein eigens Leistungsvermögen 8:18 (aber darunter mindestens 17 unglückliche Niederlagen!) Besser werden! BESSER WERDEN! B-E-S-S-E-R-W-E-R-D-E-N!!!
Der knallharte Kalkulierer optimiert seine Bilanz über das Spiele-Herauspicken-Prinzip 7:1 (Quotient: 8,2) Spielen gegen den 7. und 8. vom letzten Jahr sowie gegen die Aufsteiger; “Verletzung” bei Spielen gegen die Absteiger sowie den 3., 4., 5., und 6.

Zu welchem Spielertyp man sich hier auch zählt, noch etwas ist für alle gleich: Man beginnt mit einer makellosen Bilanz, gehört noch zu den “Zu-Null-Spielern” der Liga und malt sich in den schönsten Farben aus was diese Spielzeit für eine tolle Bilanz drin ist: Die Pfeifen vom FC ABC werden abgefieselt, gegen den TSV XYZ hat man noch nie ein Spiel verloren, so schlecht wie im letzten Jahr kann man gegen den TuS LMN gar nicht mehr spielen und für den Noppenspieler vom SV EFG hat man sich mit einigen Tipps von Mitspielern ausgestattet. Es kann also nur besser werden!

Und welche Freude dann, falls man tatsächlich im ersten Spiel kein Einzel verloren hat: Hinten steht immer noch die Null, vorne eine 1 oder eine 2 und unter den Topspielern seiner Liga findet man den eigenen Namen ganz vorne dabei – da gehört er schließlich eigentlich ja auch hin!

Doch wie wusste schon der passionierte Tischtennisspieler Wilhelm Busch: Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe! Die erste Pleite kommt bestimmt, und sei sie noch so unverdient und unglücklich. Und schon beginnt das Hirn zu rotieren, wie steht der Quotient jetzt, wer ist nun besser als ich, was wenn auch das nächste Einzel verloren geht? Und schon ist er da, der Negativtrend, mit unfassbaren Niederlagen bei Babensham IV, Vogtareuth II oder Bad Aibling XXXVIII.

Die gute Bilanz ist dahin, der Quotient im Eimer, es droht der Absturz in der Rangliste und nur noch eine Hoffnung gibt es an die man sich klammern kann: Nächste Saison wird alles besser. Ganz bestimmt.

Philipp Hell