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Nach acht Stunden in der Halle des TSV Katzwang machten sich zwei müde aber zufriedene Gestalten am Samstag Abend auf den Heimweg ins Oberbayerische, beladen mit drei Urkunden, zwei Fünf-Liter-Fässern Warsteiner sowie einem Profi-Grillset.

Ein Gastbeitrag von Philipp Hell

Beim Öffnen des Kofferraums und Einladen der Sporttaschen am Samstagmorgen entdeckten Daniel Thomas und Philipp Hell eine nicht mehr ganz taufrische Urkunde für den zweiten Platz des Doppels Heindl/Kölbl bei den letztjährigen Stadtmeisterschaften, die Thomas nun seit einigen Monaten spazierenfährt. Ein Omen? Ein Hinweis? Oder doch eher ein ironisches Auslachen der Ambitionen durch das historische Gedächtnis der Welt?

Zugegeben, die Bilanz des seit den Neunzigern immer wieder zum Einsatz kommenden Doppels Hell/Thomas war, nun ja, durchwachsen. Zu Buche stand als größter Erfolg (soweit die Erinnerung nicht täuscht) der Halbfinal-Einzug bei irgendwelchen Jugend-Kreismeisterschaften Ende der Neunziger (erst ein Freilos, dann ein Sieg gegen zwei Blinde, dann nach langem Kampf gegen zwei Schloßberger raus), außerdem konnte man bei zwei oder drei Stadtmeisterschaften mal gegen ein Jugend-Doppel eine Runde überstehen. In Erinnerung geblieben ist aber auch eine unsägliche Niederlage gegen ein Mädchen-Doppel aus Prutting, spätestens dann war klar, dass es für dieses Doppel wohl kaum zu großen Erfolgen reichen dürfte. Eine insgesamt überschaubare historische Bilanz also.

Als Thomas dann auf der Hinfahrt zugab, dass er auf der Vorhand nun kurze Noppen spiele, war dies beinahe der Zeitpunkt als Hell auch sich – den immer näher rückenden 30. Geburtstag im Hinterkopf – langsam nicht mehr zu der Jugend im Tischtennissport zählte. Was ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar war: Ein Materialspieler ist im Doppel eigentlich immer ein Vorteil.

Dieser Vorteil allerdings schien zunächst einmal nicht besonders hervorzutreten, verabschiedete sich Thomas im Einzel doch sieglos nach der Vorrunde aus dem Turnier, und Hell konnte nach zwei Auftaktsiegen in seinem dritten Einzel nur mühsam  den letzten benötigten Satzgewinn für den Einzug in die KO-Phase erringen. Auf die ebenso obligatorische wie kalauernde Aussage von Thomas, nun müsse man eben die Doppelkonkurrenz gewinnen, hatte Hell nur ein müdes Lächeln zur Antwort, er sorgte sich vielmehr, dass Thomas nach einem frühen Doppel-Aus einfach allein nach Hause fahren könne.

Dann aber kam es doch anders, Doppel und Einzel-Endrunde wurden nahezu parallel ausgespielt, mit einem ordentlichen 3:1 qualifizierte man sich für das Doppel-Achtelfinale.Größte Umstellung: Auf die vor dem Spiel geäußerte Frage der Gegner ob man normale Beläge hätte konnte man plötzlich nicht mehr mit “Ja, ja, klar”! antworten. Es folgten zwei Fünf-Satz-Siege, in denen jedoch der Entscheidungssatz fast mühelos gewonnen werden konnte. Plötzlich stand man also überraschend im Halbfinale und hatte nun doch einige durchaus realischtische Ambitionen.

In der Zwischenzeit zog Hell mit zwei glatten Zu-Null-Siegen ins Viertelfinale des Einzelturniers ein, war zu diesem Zeitpunkt dann allerdings auch körperlich schon etwas angegriffen – selbst Wurstsemmeln und Udo-Laube-Gedächtnis-Bananen halfen nur noch kurzfristig.

Im Doppel-Halbfinale wartete dann eine etwas überraschende Konkurrenz, spielerisch limitiert, aber eben ein Linkshänder und ein älterer kaum mehr beweglicher Materialspieler. Diese beiden hatte einige technisch beschlagegen Nachwuchshoffnungen aus dem Turnier gekegelt, doch für Hell/Thomas stellten sie an diesem Tag kein großes Hindernis dar, der 3:1-Erfolg war praktisch ungefährdet. Finale, oho? Tatsache.

Nach einem weiteren 3:0-Sieg von Hell im Einzel und dem damit verbundenen Halbfinal-Einzug stand nun das Doppel-Finale an. Unangenehme Gegner, ein junger angriffslustiger Typ und ein älterer Materialspieler. Nach knappen Gewinn des Eröffnungssatzes entwickelte sich dann gegen die mental und körperlich müden Gegner eine einseitige Partie, so dass nach verwandeltem Matchball kaum großer Jubel auf Seiten von Hell/Thomas aufkam. Vielleicht, so die Überlegung, muss man das eben alles erstmal “sacken lassen”, wie es der gemeine Durchschnitts-Fußballprofi immer so schön formuliert.

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Während Thomas sich seiner verdienten Dusche widmete musste Hell im Einzel-Halbfinale ran. Zwar hatte er gegen einen bekannten Schreier und Protestierer spielend ohne eigenes Zutun die Unterstützung des Publikums. In einer Pause zwischen zwei Sätzen wurde er gar von einem älteren Herrn ungefragt gecoacht: Er müsse mehr anziehen, das könne er doch. Und er müsse einfach auch mal den Ball länger halten, ob er denn nicht schupfen könne? Es muss ein verheerender Auftritt gewesen sein den Hell hier ablieferte, nach dem letztlich klaren 1:3 gegen den späteren Turniersieger hatte auch er seinen verdienten Feierabend, ein Spiel um Platz 3 gab es glücklicherweise nicht.

Es folgte die Siegerehrung ohne Publikum, ein schnelles Foto vor dem Eingang zur Turnhalle, dann wollte man die Heimfahrt antreten. An Thomas’ Auto steckte ein kleiner sympathischer Gruß:

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Später am Abend saßen zwei nicht mehr ganz so junge müde Männer auf ihren Sofas, neben sich ein Bierfass und ein oder zwei Urkunden, und sie sahen, dass alles gut war. Dann gingen sie früh schlafen.